Wikipedia-Richterin aus Halle vertreibt LKW-Parker

Höchste Energiepreise und keine Arbeitskräfte


So eindrucksvoll wie kurios - das Gerichtsgebäude in Halle, in dem "Wikipedia-Richterin" Schwabe agiert.

Autohof.net interviewt den Geschäftsführer der 24-Autohöfe und Ehrenpräsident der Vereinigung Deutscher Autohöfe (VEDA e.V.) zur aktuellen Versorgungssituation entlang der Autobahn.

Autohof.net
Die anhaltende Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg dominieren weiterhin den Alltag. Welche Auswirkungen zeigen sich im Hinblick auf die Autobahn?
Ruscheinsky
Es sind deutlich weniger LKWs auf der Autobahn unterwegs. Durch Lieferengpässe, eine abstürzende Investitionsbereitschaft und wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen gibt es weniger zu transportieren. Das führt zu erheblichen Umsatzverlusten an der Tankstelle und in der Gastronomie. Insbesondere die gestiegenen Energiepreise und Personalkosten sind existenzgefährdend. Ein Autohof mit durchschnittlich 150 Stellplätzen hatte im 24-Stundenbetrieb normalerweise monatlich etwa 8.000 € Energiekosten. Das hat sich mittlerweile verdoppelt, wodurch etwa 100.000 € Mehrkosten jährlich entstehen. Bei vielen Autohöfen ist das ein beträchtlicher Anteil des Jahresgewinnes. Und wir müssen derzeit mit weiteren massiven Steigerungen rechnen. Temporäre Maßnahmen, wie Einsparungen, Nachtschließungen und Preiserhöhungen, reichen nicht aus, um dem entgegenzuwirken. Wenn hier keine staatliche Unterstützung kommt, werden viele Betriebe für immer schließen. Es gibt mittlerweile schon stunden- und tageweise Teil-Schließungen von Rastanlagen aufgrund fehlender oder nicht mehr bezahlbarer Mitarbeiter.

Autohof.net
Wie gehen die Betreiber der Autohöfe mit den aktuellen Umständen um?
Ruscheinsky
Die Autohof-Betreiber kämpfen bewundernswert, sind innovativ und motiviert, krempeln um und arbeiten noch mehr, obwohl sie tagtäglich den Unmut wegen der unvermeidlichen Preissteigerungen zu spüren bekommen. Aber es haben bei Weitem nicht alle durchgehalten: Burnout und Notarztwagen gehören leider auch zu dieser Ausnahmezeit.

Autohof.net
Sehen Sie Unterschiede zwischen den mittelständischen Autohöfen und den Autobahn-Raststätten, die internationalen Konzernen gehören?
Ruscheinsky
Ja, gewaltige! Die Politik und die Auftragsverwaltung wurden über Jahrzehnte hinweg nicht müde, den Autohof-Vertretern mitzuteilen, dass man sich auf die privaten Autohöfe nicht verlassen könne, da diese ja einfach eigenständig zusperren könnten, wann immer sie wollen. Man privilegiert deshalb den Konzern Tank & Rast, weil man mit diesem verbindliche Verträge geschlossen hat. Das hat sich nun als der Witz schlechthin herausgestellt. Während der ersten Lockdownphasen und der pandemiebedingten Zwangsschließung der Gastronomiebetriebe hat Tank & Rast zusätzlich die unrentablen, eigentlich öffentlichen Toiletten zugesperrt. Reisende konnten sich nur in die Büsche schlagen. Demgegenüber waren die Autohöfe trotz enormer Widrigkeiten geöffnet. Erst durch den massiven Druck der Verkehrsministerien öffnete dann auch Tank & Rast wieder die öffentlichen Sanitäranlagen. Als die Bürgersubvention von Benzin und Diesel kam, haben wir in Tests festgestellt, dass der Autobahnkonzern Tank & Rast stellenweise über 50 (!!!) Cent pro Liter teurer war als der benachbarte Autohof. Bei meiner jüngsten Fahrt habe ich zum wiederholten Male erlebt, dass in der Nacht ganze Tank & Rast-Autobahnstationen einfach zugesperrt waren. Rentner und Familien stehen mit Handylicht im Dunkeln und versuchen vergebens, aus der Zapfpistole noch etwas herauszubringen. Dies verdeutlicht einmal mehr, dass der mittelständische Autohof der verlässlichste und seriöseste Partner des Autobahnverkehrs ist.

Autohof.net
Was hat Sie zuletzt in Ihrer Branche am meisten geärgert und was am meisten gefreut?
Ruscheinsky
Die 24-Autohöfe führen gerade einen Rechtsstreit, in dem es um die Wirtschaftlichkeit eines sehr angeschlagenen Autohofes geht. Dabei sind von beiden Seiten umfangreiche Unterlagen vorgelegt worden.
„Wikipedia-Richterin“ Frau Schwabe vom Landgericht Halle, die kurz vor ihrem Urlaub war, machte es sich einfach: Anstatt sich mit den Formulierungen des Notarvertrages und der Grundbuchdienstbarkeiten in gebotener Weise auseinanderzusetzen, hatte sie mal - ich schätze drei Minuten - in Wikipedia hineingesehen und verkündete dann im Gerichtssaal, dass das dort gelesene - in Wikipedia darf jedermann Einträge zu allen Themen setzen - ihr für ihre Entscheidungsfindung vollauf genügte. Ein weiterer Abwägungsprozess ist nicht mehr notwendig, auch keine Vernehmung der Beteiligten und Zeugen. Rumms!
Wenn nun Wikipedia über dem BGB steht und wir anstatt eines notariellen Vertrages eine Anfrage an ein Wikipedia-Forum stellen müssen, können wir nicht mehr verantwortungsbewusst in Autohöfe und LKW-Parkplätze investieren. Die Wikipedia- Prinzessin vertreibt so die LKW-Parker von den Autohöfen auf verkehrsgefährdende Standorte auf der Autobahn.

Was mir wiederum in der jüngeren Vergangenheit große Freude bereitet hat, ist das Thema „Kultur an der Autobahn“: Unter diesem Motto haben wir ganz neu drei Autohöfe mit Kulturellem aufgeladen. „Wer rastet, der postet“ begleitet die Ausstellungsinitiative mit tollen Selfie-Motiven. Das Rasten soll auch ein Erlebnis und interessante, geschichtliche Informationen und Hintergründe bieten. Und das kommt super bei unseren Gästen an. An dem 24-Autohof Bad Rappenau an der A6 ist mit dem BikiniARTmuseum ein ganzes Gute-Laune-Museum angedockt, das erste internationale Museum für Bademode und Badekultur. Im neuen 24-Autohof, direkt gegenüber dem Leipziger Flughafen, sind Gouzous zu sehen: Das sind unverkennbare Kunstwerke des weltberühmten Graffiti-Künstlers Jace aus Réunion. Zudem gibt es dort eine Ausstellung über den Kunstflugweltmeister Matthias Dolderer zu besichtigen. Im neuen 24-Autohof Wörrstadt bei Mainz an der A63 kann man sich hingegen die Geschichte der aufregenden Pin-ups näherbringen. Die lang erwartete Ausstellung über die Ausnahmesängerin Amy Winehouse steht auch schon in den Startlöchern! Es macht mir Riesenspaß, die Begeisterung der Gäste zu sehen, wenn sie an Autohöfen solche Überraschungen erleben.