Scheuers Rückwärtssalto zollt höchsten Respekt
Korrektur des Bußgeldkataloges lässt vergessene Tugenden aufleben
„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich daran weiser zu werden“, sagte schon einst der Ex Bundeskanzler Adenauer. Doch dass sich heutzutage noch jemand bekehrt und dies öffentlich zugibt, wagt in der Politik niemand mehr. Getroffene Entscheidungen, auch falsche, werden auf Biegen und Brechen durchgezogen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Kann man doch darauf warten, dass man von den politischen Gegnern zerrissen wird. Umso mehr zollt es allerhöchsten Respekt, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer - natürlich die starken Reaktionen der Verkehrsteilnehmer verarbeitend - erkennt, dass die niedrigen Geschwindigkeitsschwellen für den Führerscheinentzug einfach nicht passen und unverzüglich einen Umkehrprozess einleitet.
Noch dazu befindet er sich ganz und gar nicht in einer komfortablen Situation. Haben ihn Fehler um die Pkw Maut, die ihm Horst Seehofer eingebrockt hatte, gerade am Rande des Rücktritts gedrängt. Seehofer hatte bei der Bundestagswahl 2013 als ein zentrales Gerechtigkeits-Wahlkampfthema die Einführung der Pkw-Maut mit absoluter Sicherheit versprochen und die deutlichen Einsprüche der Verkehrsexperten, dass dies niemals mit EU-Recht vereinbar ist, mit seiner explizit in die Waagschale geschmissene Glaubwürdigkeit vom Tisch gefegt.
„Chapeau Herr Scheuer“ bei dieser Gemengelage diesen Weg zu gehen und eine ehrbare Tugend aufleben zu lassen, die die Korrektur von Fehlern, auch wenn sie für einen vom Nachteil ist, zweifellos ist.
Klar ist, dass der immer noch zunehmende Straßenverkehr aus verschiedensten Gründungen Schärfungen braucht, doch bei der Bestrafung der Geschwindigkeitsüberschreitungen, ist man über das Ziel hinaus geschossen. Um solche harten Regelungen durchzusetzen bedürfte es erst einmal Voraussetzungen, sprich einige Verbesserungen von Seiten des Bundes und der Länder: Abbau der vom Verkehrsteilnehmer gar nicht mehr zu verarbeitenden Verkehrsschilderflut. Bei längeren Fahrten in Deutschland kann die Geschwindigkeit auch über hundert Mal wechseln. Überall Baustellen, oft mit schwierigen Fahrverhältnissen. An manchen Stellen völlig unerwartete Höchstgeschwindigkeiten, die keiner versteht und auch kein Grund ersichtlich ist und fehlende Überkopfbeschilderung, da selbst auf Nebenautobahnen die rechts stehenden Verkehrszeichen durch eine geschlossene Lkw-Karawane gar nicht mehr zu sehen sind.
Wenige deutsche Minister/innen arbeiten in einem Bereich, in dem sie ausgebildet sind oder der ihren Neigungen entspricht. Scheuer ist schon immer ein Fahrzeugverrückter. Der Verkehrsressort ist ihm auf den Leib geschnitten. Er hat in der kurzen Zeit schon viel bewegt und handelt nicht nach dem Motto: Wer wenig tut, kann auch keine Fehler machen.