Usedom: „Die Welt geht Baden“ geht baden!

Fehlerhafte Ablehnung der Ausstellung anstatt „Bauturbo“

Das BikiniARTmuseum beabsichtigt, in den Kaiserbäder eine große und bislang nirgendwo dagewesene Ausstellung über die weltweite Badekultur zu inszenieren. Dabei sollte als Referenz an Usedom eine besondere Aufarbeitung der Insel und der Ostsee stattfinden. Zwei Jahre recherchierte dafür ein Team unter Einbindung des Bademodensammlers Jürgen Kraft, des Ortshistorikers Fritz Spalink und der Berliner Archivarin und forschenden Sängerin Evelin Förster. Große Aufmerksamkeit wäre garantiert gewesen. Nutznießer wären zweifelsfrei Kultur und Tourismus in Usedom und den Kaiserbädern. Fast zwei Jahren torpedierte aber das Bauamt in Greifswald das Vorhaben. Den Ausstellungsträgern schlug von Anfang an eine voreingenommene, ablehnende und nicht ansatzweise kooperationsbereite Haltung entgegen. Der Bauantrag wurde nunmehr abgelehnt. Die Ablehnung ist fehlerhaft und haarsträubend. Die Museumsmacher stellen sich jetzt die Frage, wie es weitergeht. Man wurde eigentlich gezielt angeworben. Bei der Vorstellung des Projektes gab es nur positive Resonanz. Marco Preisser vom Entwicklungsteam. „Wir haben viele Möglichkeiten und sind auf der ganzen Welt ein gefragter Partner. So haben wir gerade ein Projekt mit dem London Design Museum beendet. Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, uns mit der spannenden Badekulturgeschichte hier in Usedom zu beschäftigen. So ein Projekt braucht Intensität und Euphorie. Das funktioniert nicht, wenn man uns nur Steine in den Weg legt.“

Die Ausstellung „Die Welt geht Baden“ sollte in einem 800 qm Pavillon als temporäre Architektur auf dem großen Grenzparkplatz von Ahlbeck stattfinden. Der ausgesuchte Pavillon ist ein genormtes und mit allen Prüfungen versehenes Zelt, das als sog. „fliegender Bau“ in ganz Deutschland für Großevents im Einsatz ist, auch für längere Zeit. Überall in Deutschland wurde das Zelt in dem vom Gesetzgeber dazu extra geschaffenen vereinfachten Verfahren als „fliegendes Bauwerk“ genehmigt. Ein Beispiel: Als der SSV Ulm überraschend Ende Mai in die zweite Bundesliga aufgestiegen ist und man keine passende Infrastruktur hatte, wurde für mehrere Jahre exakt der baugleiche Pavillon mit dem identischen Bauprüfbuch zur Nutzung für hunderte VIP-Gäste einfach und schnell als „fliegender Bau“ aufgestellt. Das wäre auch hier möglich gewesen. Die ausgesuchte Örtlichkeit, der Grenzparkplatz, ist seit vielen Jahren Bestand. Er ist im gültigen Flächennutzungsplan als „Sondergebiet“ ausgewiesen. Direkte Nachbarn sind die Bahn mit dem Bahndamm, eine Landesstrasse mit erheblichem Grenzverkehr und Tourismushaltestelle, ein Zollgebäude, Gastronomiegebäude und weitere Parkplätze. Auf dem Parkplatz fand auch schon eine Sandskulpturenausstellung in einem deutlich größeren Zelt statt.

Alles wäre daher möglich und machbar gewesen. Die Macher gingen daher auch fest davon aus, dass es in Usedom schnell geht. Das Gegenteil war der Fall. Das Bauamt wehrte sich gegen das vereinfachte Verfahren als fliegendes Bauwerk vehement. Man wollte unbedingt ein Baugenehmigungsverfahren. Dabei suggerierte man den Betreibern aber eine zügige und unkomplizierte Bearbeitung und eine Genehmigungsfähigkeit. Dazu kam es aber nicht. In dem nun vorliegenden ablehnenden Bescheid kommen dann Argumente, wie die Entstehung und Verfestigung einer „Splittersiedlung“, der Schutz „naturgegebener Bodennutzung“ und „Erholungslandschaft“ und eine fehlende Erschließung. „Viele Menschen sind auf mich zugekommen. Selbst der Baurechtslaie, schüttelt hier ungläubig den Kopf, das ist doch keine grüne Wiese und mit dem vorrübergehenden Pavillon wird kein einziger Baum oder Strauch berührt“, so Jürgen Kraft. Der beratende Jurist dazu: „Das Landratsamt hat im Ablehnungsbescheid den Flächennutzungsplan einfach weggelassen. Das Landratsamt kannte den Flächennutzungsplan aber, denn es hat ihn selbst vor Jahren in Kenntnis des Bestandes genehmigt. Die Außerachtlassung des Plans stellt einen Ermessensfehlgebrauch dar. Das Argument einer Verfestigung einer Splittersiedlung ist abwegig. Aufgrund der Lage des Grenzparkplatzes und der dort schon seit Jahrzehnten vorhandenen Bebauung verfestigt sich hier nichts. Ein Schutz von Natur und Landschaft ist im vorliegenden Einzelfall abwegig.“ Auch der weitere Einwand der nicht gesicherten Erschließung greift nicht. Dazu der planende Architekt: „Die Erschließung ist komplett vorhanden, sonst gäbe es keinen Parkplatz und keine Gebäulichkeiten dort. Die Lösung von Detailfragen, die den Zeltpavillon betreffen, insbesondere auch der wichtige Brandschutz, kosten Zeit und Geld. Diese werden in normalen Verfahren  beauftragt, wenn die Baubehörde signalisiert, dass man jetzt prinzipiell durch ist oder sie setzt es als Auflage in die Baugenehmigung. Diese Ausgaben zu einem Zeitpunkt zu fordern, wo die Baubehörde noch prinzipielle Bedenken hat, siehe Splittersiedlung und Natur, ist unangemessen und defacto rausgeschmissenes Geld.

Weitere Kritikpunkte der Macher: Wir haben mehrfach angeboten, um das von Anfang an vorhandene nicht nachvollziehbare eisige Klima zu beseitigen, in der Behörde vorbeizukommen. Der Wunsch nach einem persönlichen Gespräch wurde aber abgelehnt. Die Ablehnung der Genehmigung als fliegendes Bauwerk ist eine Diskriminierung. Vom Bauamt kam die Aussage: „das Vorhaben ist politisch nicht gewollt“. Solche Aussagen sind in höchstem Maße befremdlich. Im Bauverfahren sind dann immer wieder neue Forderungen gestellt worden. Das ist nicht üblich und das Gegenteil von unterstützend. Das Bauamt hatte von Anfang vor, aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, das Kulturzelt abzulehnen. „Das ist nicht fair, wenn man von Anfang an vor hat das Projekt abzulehnen, die dann noch ein aufwendiges, zeitraubendes und kostenintensives Bauverfahren durchführen zu lassen.“ So eine Politikerin aus Usedom, die nicht genannt werden möchte. Alexander Ruscheinsky, der Initiator der Ausstellung dazu: „Mir tun unsere so engagierten Mitarbeiter leid, die sich mit Herzblut eingebracht haben und die Ausstellung inhaltlich und gestalterisch detailliert fertiggestellt haben. Wir haben gelesen, gesprochen, gesammelt, geliehen, gekauft und gesteigert, um das Thema Badekultur Usedom und Ostsee mit  Qualität und Attraktivität zu bestücken. Und die wünschen sich natürlich so sehr die Realisierung.“

Herbst der Reformen – Bauturbo – Was wollen und was können wir uns in Deutschland noch leisten?

Jürgen Kraft, Kurator im BikiniARTmuseum und bekannter und besessener Bademodensammler aus Usedom, hat auf die Museumsmacher aus Baden-Württemberg seit Jahren eingewirkt: „Macht was in Usedom, das ist eine so tolle Insel, das passt zusammen.“  Wie es sich gehört, machten die Museumsleute dazu zuerst eine Vorstellungsrunde. Sie gewannen den Eindruck, beim Landkreis, der Gemeinde Heringsdorf, der Gemeindevertretung, bei Kurdirektor und Tourismusausschuss, positiv anzukommen. Der Tenor, gut für Kultur, Tourismus und Wirtschaft. Nachdem der passende Standort gefunden war, dann das Dilemma mit der Bauaufsichtsbehörde Vorpommern-Greifswald. Ruscheinsky: „Wir bauen viel in ganz Deutschland. Ein überbordender Bürokratismus zerstört sukzessive den Mittelstand. Wir sind jetzt schon in einer kritischen Phase. Es gibt aber immer noch gute Auftragsverwaltungen und Baubehörden. Wir finden im Dialog eigentlich immer Lösungen. Unsere aus noch nie da gewesener Not agierende Regierung propagiert täglich Reformen, Bürokratieabbau und einen Bauturbo. Warum machen da die Auftragsverwaltungen nicht mit? Die Ausstellung „Die Welt geht Baden“ kann morgen im Rahmen eines fliegenden Bauwerks genehmigt werden, konform zur gesetzlichen Lage und eine unnötige detaillierte und bürokratische Prüfung ist gar nicht im Sinne der politischen Vorgaben und der aktuellen Situation in Deutschland.“

Viele Verlierer und Kosten – Entscheidung ob wir weitermachen fällt in Kürze

Die Verlierer sind schnell ausgemacht: Kultur, Tourismus und Wirtschaft. Die verschuldete Stadt, der die Chancen auf Einnahmen versagt werden. Und das Vertrauen der Wirtschaft in Usedom, etwas zu realisieren, wenn man derart vom Gutdünken der Baubehörde abhängig ist. Auch die Baubehörde selbst wird so nur zum Verlierer. Betroffene und Außenstehende begreifen das Vorgehen nicht. Die Ausstellungsmacher haben schon einen sechsstelligen Betrag verloren. Genauso schlimm ist die verlorene Zeit. An anderer Stelle wäre das Projekt schon umgesetzt und neue Arbeitsplätze geschaffen. Auch die Baubehörde verpulvert Kapazitäten mit überflüssigen Verfahren und damit auch zehntausende von Euro. Viel öffentliches Geld, das man gerade überall dringend brauchen könnte.

Wie es weitergeht, insbesondere ob die Museumsbetreiber gegen den Bescheid vorgehen wollen, entscheidet sich nächste Woche. Die engagierten Mitarbeiter möchten unbedingt ihre Arbeit vorzeigen können. Es wird wohl eine Frage eines guten Klimas werden.

 


Pamela Andersons Original roter Baywatch Badeanzug war gerade im Londoner Design Museum als Leihgabe des BikiniARTmuseums zu sehen. Man besitzt weitere weltbekannte Stücke, wie den Prinzessin Leia Bikini aus Star Wars oder den Goldenen Réard. In Usedom wird von alledem wohl niemals etwas zu sehen sein, wenn es nach dem Bauamt geht. Auch nichts von dem sehr spannenden Extrabereich „Badekultur auf Usedom und den Kaiserbäder“ mit historischen Postkarten, Illustrationen, Fotos und Ausarbeitungen. Man wird sich nicht in die Schaukelbadewanne legen können und auch nicht freche und teils vergessene Badelieder aus den Jahren 1900 bis 1935 hören, deren Reproduktion in Berlin nun gestoppt wurde.

 

Scheuer kann sinnvolle Mobilität

Faszination „Auto“ vs. Faszination „autofrei“

Der Vater verdient sich sein Geld mit Service für Autos und deren Insassen. Je mehr Fahrzeuge unterwegs sind, desto besser laufen die Geschäfte. Die Tochter arbeitet nach dem Bachelor in Wirtschaft in Berlin an Konzepten im Thema Smart City. Share Economy ist bereits verinnerlicht. Ihr geliebtes kleines Cabriolet braucht sie nicht mehr, es ist verkauft. In Berlin benutzt sie die öffentlichen Verkehrsmittel oder leiht sich etwas aus einem immer größer werdenden Sharingangebot. Zug, Mitfahrzentrale oder auch einmal das elterliche Fahrzeug, wenn was Größeres zu transportieren ist lassen den Weg von Berlin nach Hause komfortabel und kostengünstig überbrücken. Unverständnis und Ärger sind in der Familie in den zwei Generationen also vorprogrammiert.

Ganz im Gegenteil. Vater und Tochter sind eng miteinander verbunden. Für beide ist es wichtig sich dem anderen mitzuteilen und Standpunkte, Gedanken und Positionen auszutauschen.

Den beiden ist mittlerweile klar, dass hier überhaupt kein Widerspruch vorhanden ist.

Dad: „Das Auto ist das technologisch höchst entwickelte Produkt der Menschheit. Es funktioniert im Zusammenspiel mit den heutigen Straßenbelägen und einem geübten Ordnungssystem so perfekt, dass de facto jedermann 1000 Kilogramm und mehr auf 200 Stundenkilometer beschleunigen kann, dabei mit Freunden in dem Objekt sitzt und durch tausende von anderen Gleichgesinnten durchnavigiert. Und dann sind die Fahrzeuge auch noch toll, ästhetisch, formvollendet und bequem und so mancher ist auch noch fasziniert von dem Dominanz suggerierenden Summen des Herzstückes, der Maschine, dem Motor. Fahrzeug und sich frei bewegen ist ein wichtiges Stück Freiheit. Diese unvorstellbare Menschheitsleistung zu zerstören wäre eine Sünde“.

Elisa, die Tochter: „Gute Luft, gesunde Natur, nicht bei jedem Schritt aufpassen zu müssen, dass man nicht mit einem Auto kollidiert und außerdem nützt das eigene Auto in vielen Städten gar nichts, da man ständig im Stau steht und auch gar keinen Parkplatz mehr findet. Ein Stück neue Freiheit in den Städten.“

Beide beschließen bei einem Abendessen hier mal Ordnung reinzubringen. Gewicht und Spritverbrauch runter sind kein Spaßverlust, individualverkehrsfreie Zonen eine irrsinnige Lebensqualitätserhöhung und vieles mehr sollen die Themen sein.

In der Lieblings-Kneipe von Elisa treffen sie Bekannte, Hedi, eine Influenzerin, die gut im Geschäft ist und Patrick, der für eine Werbefirma arbeitet und viel mit sozialen Medien zu tun hat.

Mit Begeisterung machen beide auch beim Brainstorming mit. Nach einem leckeren Essen und einer Flasche Wein sind viele Ideen geboren worden, aber nicht alle Widersprüche geklärt. Mittlerweile hat sich auch noch die Kabarettistin Karin vom Nachbartisch dazugesetzt, die von der Diskussion, die so mithörte, angezogen wurde.

Das Thema ist für die Zukunft so wichtig. Und man hat feststellen müssen, dass jeder viel zu wenig weiß, insbesondere von „der anderen Seite“. Das ist schlecht. Die Diskussion läuft im Allgemeinen nur sehr oberflächlich und leider aus zu sehr festgefahrenen Lagern ist eine der wesentlichen Erkenntnisse des Abends. Die drei Jungen beschließen eine Plattform in den sozialen Medien zu gründen, in der der Abwägungsprozess auf breiter Basis durchgeknetet wird und vom Unternehmer bis zur Hausfrau, vom Motorsportler bis zum Wandersmann, vom Journalist bis zum Promi alle eingebunden werden. Karin macht auch begeistert mit und möchte über Persiflagen die Positionen auf ihre unkomplizierte Art verdeutlichen.

„7 Sinne für sinnvolle Mobilität“

Lass uns starten noch ein paar Freunde aus den unterschiedlichen Lagern zum Mitmachen zu gewinnen und dann die ersten Themen aufzubereiten. Und wir brauchen einen Namen: „7 Sinne für sinnvolle Mobilität“ war der erste spontane Vorschlag und „1001 Sinne für sinnvolle Mobilität“ ein weiterer, der die Komplexität, aber auch die Zauberhaftigkeit des Themas betonen soll. Wir machen ein Projekt! Und als weitere Idee soll jedes Mal noch eine wechselnde bekannte Persönlichkeit zu den speziellen spannenden Diskussionen eingeladen werden

Dies ist keine wahre Geschichte, sondern ein Gedankenspiel über ein Szenarium, das in unserem Lande einen Beitrag leisten könnte, ein wenig Konsens in der Gesellschaft über die Erneuerung der Mobilität herzustellen.

Die Zeit dazu ist so gut wie selten. Wir haben seit Jahren Wohlstand, die Politik besitzt damit genügend Geld, um die Veränderung voran zu treiben. Die Industrie hat bei der Reduzierung des Spritverbrauches viel geleistet und nun stehen bei allen beachtenswerten Marktteilnehmern gerade auch die E-Generation mit echt – Hut ab – attraktiven Modellen in der Startphase. Und wir haben an der Spitze des Bundesverkehrs-Ministeriums eine beachtenswerte Ausnahmenerscheinung. Normalerweise hat der Minister bei Amtsantritt wenig Ahnung bis gar keine von seinem Ressort. Für seine Nominierung ausschlaggebend war entweder eine Partei- oder Frauenquote, die verdiente Freundschaft zu einem oder anderen ganz Großen oder eine devote unerschütterliche Loyalität. Nein, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist ein absoluter Autoliebhaber, ein Sammler und leidenschaftlicher Fahrer, der bei der einen oder anderen Oldtimer-Rallye selbst am Lenkrad. Er besitzt das Gefühl für die Straße und für das Fahren. Das muss genutzt werden, das ist eine einmalige Chance. Natürlich wird einem Verkehrsminister unterstellt, dass er Verkehr zu machen hat, noch mehr Verkehr abzuwickeln hat.

Keine Frage, aber man kann ihn auch für die andere Seite gewinnen, die Seite der sinnvollen Mobilität, einen ausgewogeneren Level. Das hört man deutlich aus seinen öffentlichen Auftritten heraus.

Vielleicht sollte man als einen Schritt das Planspiel „Der 7. Sinn für sinnvolle Mobilität“ starten und Andreas Scheuer mal fragen, ob er sich da auch stellen würde.

Redaktion Ru.net